Liebe Menschen
in Wien!
Was war Ihr erster Gedanke, als Sie unser neues Logo gesehen haben? Ich verrate Ihnen meinen und auch gleich, warum es uns als Team so gut gefällt: Weil mit Wörtern und Buchstaben gespielt wird. Und weil sich das Theater dabei unters Volk mischt, also unter uns alle, und es umkreist. Ein Volkstheater, das aus unterschiedlichsten Menschen eine Gemeinschaft formt! Das wollen wir sein. Erst recht in Zeiten, in denen die Gesellschaft droht, auseinanderzubrechen. SPÜRST DICH NOCH? möchte man allen zurufen, die dazu beitragen, und manchmal auch der Welt selbst. Wörtlich genommen kann SPÜRST DICH NOCH? aber auch fragen: Kannst du noch den Kontakt zu deinen Gefühlen halten oder zu dir selbst in diesen verrückten Zeiten? Ich glaube, Theater kann hier helfen. Und unser Spruch feiert mit seiner Doppeldeutigkeit auch die Komplexität und den Hintersinn, den Theater herstellen kann und muss. Vor allem in Zeiten fataler Vereinfachungen.
SPÜRST DICH NOCH? könnten auch die Alter Egos des Schriftstellers Jura Soyfer in dessen Stücken fragen: Ein Forscher, der die in Krieg und Krisen untergegangene Welt retten will und ignoriert wird, ein Sandler, der einem Grafen eine Nation zum Geburtstag schenken soll, ein Seemann, der auf dem Meeresgrund Menschen begegnet, die alles, auch ihre Geschichte, vergessen haben. Jura Soyfer schrieb mit Witz und Biss gegen Ausbeutung und Nationalismus an und wurde mit 26 von den Nazis ermordet. Unter dem Titel ICH MÖCHTE ZUR MILCHSTRASSE WANDERN! werde ich drei seiner Stücke an einem Abend inszenieren und damit meine Direktion eröffnen. Wenn gleich darauf Michael Hanekes Film CACHÉ folgt, den Regisseurin Felicitas Brucker erstmals für das Theater adaptiert, ist das kein Zufall: Soyfers grelle Satiren der 1930er Jahre berühren sich thematisch mit dem packenden Kammerspiel von heute, in dem Rassismus und Klassismus durch die großbürgerliche Fassade brechen. Wir wollen gleich zu Anfang nachvollziehbar machen, wie leicht Ausgrenzung und Ignoranz zum Nährboden für Aggression und Rechtsruck werden können. Und auch die deutschsprachige Erstaufführung der Konversationskomödie THE BOYS ARE KISSING setzt bei etwas an, das uns politisch umtreibt: Zwei Volksschüler haben sich geküsst und treten damit eine Lawine von Reaktionen los. Schließlich mischen sich auch die Engel im Himmel ein – der Irrwitz beginnt! Und er setzt sich fort im virtuosen Slapstick der Komödie mit Banküberfall oder in Liv Strömquists neuem Stück LIV, LOVE, LAUGH STRÖMQUIST.

Das neue Spielzeitbuch!
Erfahren Sie kompakt alles zu unseren Premieren, Wiederaufnahmen, den großen und kleinen Neuheiten, die es ab kommender Spielzeit am Volkstheater geben wird. Und lernen Sie unser großartiges Ensemble kennen. Gerne schicken wir Ihnen ein Exemplar (innerhalb des DACH-Raums) kostenlos nach Hause – zur Bestellung.
Überhaupt wird Komik ein Schwerpunkt am neuen Volkstheater sein, weil Lachen so vieles kann: Nähe herstellen zwischen Unbekannten, uns die eigenen Schwächen liebevoll oder böse vor Augen führen oder uns zwingen, wach zu werden und Haltung zu beziehen. Lachen kann unkontrolliert aus einem heraussprudeln, einem aber auch im Hals steckenbleiben. Wer lacht, spürt sich noch! Aus diesem Grund rufen wir auch einen neuen Wettbewerb ins Leben, den JURA SOYFER PREIS für die Komödie der Gegenwart. Der:die Autor:in des Gewinnerstücks erhält dank großzügiger Unterstützung der Edith und Werner Rieder Stiftung einen der höchstdotierten Dramatiker:innen-Preise und das Stück wird schließlich am Volkstheater uraufgeführt.
Mit der TRAUMNOVELLE, ÖDIPUS TYRANN und den RÄUBERN haben wir große Titel im Programm, ebenso wie große Regie-Namen, z. B. Nicolas Stemann oder Jan-Christoph Gockel, dessen Inszenierung UKRAINOMANIA zu Joseph Roth gemeinsam mit dem Nationaltheater der Stadt Lviv, in deren Nähe der Autor geboren wurde, entsteht. Rieke Süßkow, Shootingstar mit zwei Theatertreffen-Einladungen, bekommt ein künstlerisches Zuhause in der Stadt, die schon lange ihre Wahlheimat ist: Sie wird Hausregisseurin und bringt nicht nur Horváths GESCHICHTEN AUS DEM WIENER WALD auf die Bühne, sondern schickt auch ein VOLKSOHR als Kunstaktion durch die Stadt. Unsere Neugier auf Wien und seine Geschichten zeigt sich auch in Mattias Anderssons MYTHEN DES ALLTAGS in Koproduktion mit den Wiener Festwochen. Der Intendant des Stockholmer Dramaten sammelt Erlebnisse, die Menschen aus Wien schon immer auf der Bühne sehen wollten, und verdichtet sie zu einem Theaterabend. Außerdem arbeiten Wiener Künstler:innen wie Anna Marboe, Martina Gredler, Fanny Brunner oder das Regieduo DARUM am Volkstheater.
Überhaupt wollen wir uns eng mit der Stadt verbinden. Dass Theater in Stadtteile gehen, um dort zu spielen, ist zu so etwas wie einem Trend geworden. Am Volkstheater ist das aber nichts Neues: Seit über 70 Jahren gibt es das Volkstheater in den BEZIRKEN. Dass wir diese etablierte Struktur fort führen und weiterentwickeln dürfen, macht mich stolz – und so neugierig, dass ich gleich in der ersten Spielzeit selbst in den Bezirken inszenieren werde. Mit dem Familienstück und der Kooperation mit dem Bronski & Grünberg Theater wollen wir Beliebtes fortsetzen. Neu ist, dass wieder mehr Ensemblemitglieder in den Bezirken spielen werden und dass das Programm um spannende Formate wie einen Audiowalk im Stadtraum, intensive Kooperationen im Rahmen des neu gegründeten SCHULNETZWERKS oder eine intergenerationale Schreibwerkstatt ergänzt wird. Outreach und Vermittlung sollen aber nicht nur in den Bezirken mehr Fokus bekommen: Unter der Überschrift OPEN HOUSE fassen wir sowohl die Rote Bar, in der es neben Polittalks, Partys und Konzerten auch mehr Raum für lokale Communitys geben wird, als auch das Volkstheater Kollektiv für alle, die mitspielen wollen, und vieles mehr.
Sie sehen: Wir wollen die ganze Stadt zu uns einladen! Zu einem Programm, das für viele Menschen etwas zu bieten hat, das in Extreme geht, ein breites Spektrum und maximale Abwechslung sucht, und das bewusst viele Künstler:innen aus Wien mit Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenbringt. Das ENSEMBLE ist dabei der rote Faden: Es sind die Schauspieler:innen (großartig fotografiert von Maša Stanić!), die Sie in unterschiedlichsten Stilen, Rollen und Welten entdecken, kennenlernen und lieb gewinnen können, und die sich, wie wir alle, riesig auf Sie freuen.
Spürt’s Euch!
Im neuen Volkstheater.
Herzlich
Jan Philipp Gloger